Sonntag, 20. Januar 2013

Momentum-Strategie

Der Relative-Stärke-Effekt


Sieger bleiben Sieger


"Kurse haben ein Gedächtnis", so lässt sich eine doppelte Anomalie zusammenfassen, nach der ehemalige Siegeraktien weiterhin Sieger bleiben oder aber zu Verlierern werden. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man auf die zeitlichen Fristen achtet. So setzt sich über mittlere Perioden von 6 bis 12 Monaten ein bestehender Kursimpuls, ein Momentum, fort, während es sehr kurzfristig, d.h. nach einem Monat, einer Woche oder gar nur einem Tag, aber auch nach drei bis fünf Jahren zu Gegenreaktionen kommt, in denen sich die regressiven Tendenzen der Börsen- und Wirtschaftsentwicklung ausdrücken.

Die Diskussion dieser Kursentwicklungen begann mit Robert A. Levy, der 1967 in seiner Dissertation den Begriff der Relativen Stärke prägte. In dieser Studie untersuchte er die Kurse von 200 Aktien der New York Stock Exchange für den Zeitraum 1960 bis 1965. Dabei beobachtete er, dass Aktien, die sich bereits einige Zeit besser und damit "relativ stärker" als der Markt entwickelt hatten, diese positive Kurstendenz auch noch weiterhin fortsetzten. Das gilt jedoch nur innerhalb zeitlicher Begrenzungen. So fand Levy bei näherer Betrachtung, dass Aktien meist nur sechs bis zwölf Monate als relativ stark zu bezeichnen waren. Dann schien der Markt zumeist neue Favoriten zu suchen.


Um seine Beobachtung empirisch überprüfen zu können, präzisierte Levy seinen Begriff der relativen Stärke einzelner Werte gegenüber dem Gesamtmarkt. Dazu ordnete er seine 200 ausgewählten Aktien jede Woche nach dem Prozentsatz, um den sich der aktuelle Kurs einer Aktie von ihrem 26-Wochen-Durchschnitt entfernt hatte. Ganz oben auf der Liste standen die Aktien, die am weitesten über diesem Durchschnitt lagen.

Mit dieser Liste konstruierte Levy zwei Investmentstrategien. Zunächst prüfte der Doktorand, wie sich ein Depot entwickeln würde, das die obersten 20 Aktien, also das oberste Dezil seiner Liste mit 10 % Depotanteil, umfasste. Jede Woche wurde dieses Depot kontrolliert. Eine Auswechslung erfolgte erst, wenn eine von den im Depot enthaltenen Aktien in Levys Liste auf einen der letzten 40 Plätze abgerutscht war. In diesem Fall wurde diese Aktie aus dem Depot entfernt und gegen die höchstplatzierte, aber noch nicht im Depot enthaltene Aktie ausgetauscht. Das Resultat der Strategie war sehr erfreulich. Levys Aktien schlugen in einem Fünfjahreszeitraum ihren Vergleichsindex im Schnitt um 9 Prozentpunkte pro Jahr.


Doch seine zweite Strategie brachte ein noch besseres Ergebnis. Levy nahm zu Beginn der 5 Jahre nur die obersten 10 Aktien aus seiner Liste in sein Depot auf und verkaufte Aktien bereits, wenn sie in der Liste auf einen der letzten 60 Plätze gefallen waren. Dadurch verbesserte sich das Ergebnis gegenüber der ersten Strategie. Nun schlug das Depot seinen Vergleichsindex um 15 Prozentpunkte pro Jahr.

Es kann sich also auszahlen, wenn man seine Depotwerte auf die besten "Sieger" konzentriert und sich rasch wieder von ihnen trennt, wenn sie nicht mehr die Gunst des Marktes genießen.


Norman Fosbacks Bestätigung


Bereits 1975 veröffentlichte der Finanzexperte Norman Fosback in Anlehnung an Levy eine wesentlich umfangreichere Studie mit 750 Aktien der AMEX, die er über 8 Jahre (1963 - 1971) beobachtet hatte. Relative Stärke definierte er dabei als Änderung des Durchschnitts in den letzen 13 Wochen gegenüber dem der letzten 30 Wochen. Trotz dieser leicht abweichenden Definition fand Fosback die Ergebnisse Levys weitgehend bestätigt. Das Sieger-Quintil erreichte eine Überrendite von gut 5 Prozentpunkten jährlich, während die schlechtesten 20% der Aktien eine Unterrendite von 5,6 Prozentpunkten pro Jahr erlitten. Zusätzlich konnte Fosback seine Vermutung bestätigt finden, nach der Aktien, die in einer nach relativer Stärke sortierten Liste ganz unten standen, auch die schlechteste künftige Kursentwicklung erlitten.

Da diese Vorgehensweise relativ mühsam ist, haben spätere Untersuchungen die Sieger und Verlierer einfacher definiert, indem sie nur deren Rendite für einzelne Zeiträume berechnet und die jeweils besten Aktien als Sieger und die schlechtesten als Verlierer definiert haben. Nach dieser Selektion in einer Formationsperiode wurde dann die Renditeentwicklung in einer anschließenden Testperiode ermittelt.


Die Momentumstrategie nach Jegadeesh/ Titman

Im engeren Bereich der empirischen Finanzmarktforschung startete die Karriere der Momentum-Strategie erst 1993, als Jegadeesh und Titman in den USA für den Zeitraum 1965 - 1989 Überrenditen für Aktien nachwiesen, die bereits zuvor positiver als der Markt abgeschnitten hatten, und das unabhängig von möglicherweise unterschiedlichen Risiken der betroffenen Werte. Die beiden Autoren betrachten dabei Formations- und Halteperioden von drei bis zwölf Monaten sowie zusätzlich längere Halteperioden. Eine besonders hohe Überrendite fanden sie für eine sechsmonatige Formations- und Haltperiode, und zwar von 12 Prozentpunkten jährlich.

Danach sank dann die Überrendite wieder, und zwar auf 9,5 Prozentpunkte nach einem Jahr und reduzierte sich während der folgenden 24 Monate auf unter Prozentpunkte, bevor sie nach etwa 30 Monaten ganz verschwand.

In diesen Zahlen sind jedoch die Transaktionskosten nicht berücksichtigt, sodass unter realitätsnäheren Annahmen eine mehr als sechsmonatige Halteperiode vorteilhafter sein kann, da sich bei einer Halteperiode von einem Jahr somit Transaktionskosten sparen lassen, wodurch die Renditen von 12 Prozentpunkten und 9,5 Prozentpunkten enger zusammenrücken.


Bemerkenswert ist die ausgeprägte Januaranomalie dieser Strategie; denn das Momentum weist deutliche saisonale Unterschiede auf. Im Januar verlieren die besten Momentum-Aktien etwa Prozentpunkte, während sie sich im November und Dezember besonders gut rentieren. Der Januar-Malus wird dabei vor allem durch die kleinen Werte verursacht, während es für die marktbreiten Papiere keine signifikante Abweichung gibt. Als Ursache vermuten die Autoren das gerade zum Jahresende bei Fonds-Managern besonders beliebte Window Dressing, um am Jahresende ein Sieger-Portfolio veröffentlichen zu können.

Die Überrendite der Momentum-Aktien nach O'Shaughnessy


Auch der US-amerikanische Börsenkenner und Bestsellerautor James O'Shaughnessy untersuchte Momentumeffekte für einen 42-jährigen Untersuchungszeitraum. Dabei wählte er eine Formationsperiode von zwölf Monaten und fand die bereits vorliegenden Ergebnisse bestätigt, allerdings mit einigen Besonderheiten, die den Anleger mit nützlichen Zusatzinformationen versorgen können. Insgesamt schlugen zwar die Sieger wie erwartet den Markt, allerdings nur mit einer bescheidenen Überrendite von 1,5 Prozentpunkten jährlich, während die Verlierer eine kräftige Unterperformance von 10,7 Prozentpunkten jährlich erlitten. Bei den großen Gesellschaften sah es hingen anders aus. Hier erzielten die Siegeraktien eine Überrendite von 5,1 Prozentpunkten, während die Verliereraktien erneut mit einer Unterrendite von allerdings nur 2,3 Prozentpunkten hinten lagen.

Der rationale Anleger sollte also nur Aktien mit einem positiven Momentum kaufen und die Verlierer meiden oder schnell abstoßen, wenn sie sich in seinem Portfolio befinden. Das gilt besonders für die kleinen Werte.


Momentum-Gewinne in Deutschland
Die Erfolge einer Momentum-Strategie sind nicht nur ein amerikanisches Phänomen. Überrenditen dieser Auswahlkriterien fand man bereits sehr früh auch auf dem deutschen Aktienmarkt. So konnten Schiereck/ de Bondt/ Weber in einem Aufsatz von 1999 für den Zeitraum 1961-1991 signifikante Profite nachweisen. Schiereck und Weber testeten für die 357 Aktien, die zwischen 1961 und 1992 in Frankfurt amtlich gehandelt wurden, verschieden lange Formations- und Halteperioden. Als Bewertungsmaßstab vergleichen sie dabei 20 Sieger- mit 20 Verlierer-Aktien. Die höchste Überrendite für die Käufe von Aktien mit guter vorangegangener Performance fanden sie mit 4,15 Prozentpunkten für eine Formationsperiode von sechs und eine Halteperiode von zwölft Monaten. Für diesen Zeitraumkombination war auch die Differenz zwischen den Entwicklungen alter Sieger und Verlierer am größten.

Damit können die Autoren eine sehr große Ähnlichkeit zwischen ihren eigenen und den US-amerikanischen Ergebnissen von Jegadeesh und Titman feststellen: "Für längere Haltefristen von neun bis zwölf Monaten waren Formationen von sechs Monaten mit den höchsten monatlichen Erfolgsaussichten verbunden. Für kürzere Halteperioden hat die Formation über zwölf Monate die höchsten monatlichen Erfolge gebracht. Auch die erfolgreichste, die höchsten durchschnittlichen monatlichen Überrenditedifferenzen erzielende Strategie basiert für beide Märkte auf einer Formation über zwölf Monate. Für den US-Markt erzielt die Strategie mit einer Haltedauer von drei Monaten 1,31 v.H. monatlich, in Deutschland bei einer Haltedauer über ein halbes Jahr 0,9 v.H.“.

Für eine sechsmonatige Halteperiode brachte hingegen eine einjährige Formationsperiode bei der Auswahl der Sieger die höchsten Überrenditen. Auch eine zeitliche Besonderheit deckt sich mit den US-amerikanischen Ergebnissen; denn bei einer sechsmonatigen Momentum-Strategie waren die Ergebnisse erheblich höher, wenn die Testperiode im Juli begann.


Diese Ergebnisse wurden im Folgejahr durch eine Studie von August/ Schiereck/ Weber bestätigt, die Kurse für den Zeitraum 1974 –1997 benutzten.

Für die drei Autoren bestätigen ihre Ergebnisse den nachhaltigen Erfolg von Momentumstrategien auch für risikoadjustierte Renditen. Unter Berücksichtigung des Renditerisikos fällt die Renditedifferenz zwischen Sieger- und Verlierer-Portefeuilles sogar eher höher aus. Dabei zeigen die Ergebnisse auffallende saisonale Renditemuster. Mit diesem Erfolg wird auch die Frage nach der Erklärbarkeit der gefundenen Überrenditen evident.

Die Internationalität der Momentum-Gewinne


Das gilt nicht zuletzt auch, weil der Erfolg von Momentum-Strategie keine Besonderheit des US-amerikanischen oder des deutschen Aktienmarktes ist. So fand Rouwenhorst (1998) diese mittelfristige Kontinuität von Kursentwicklungen zwischen 1980 und 1995 in zwölf nationalen Aktienmärkten, wo Sieger jeweils Verlierer-Depots um gut einen Prozentpunkt pro Monat schlugen, und das unter Berücksichtigung unterschiedlicher Risiken. Die Kontinuität des Momentums besteht dabei im Durchschnitt etwa ein Jahr und ist für kleine Firmen größer, jedoch nicht auf sie beschränkt.

Rouwenhorst hat aus den Aktien von 12 europäischen Ländern internationale Sieger- und Verlierer-Portfolios gebildet. Das Ergebnis ist für Formations- und Halteperioden von 3, 6, 9 und 12 Monaten eindeutig: die Sieger-Aktien schneiden um einen Prozentpunkt pro Monat besser ab als die Verlierer. Betrachtet man nur die Überrenditen der Sieger, durch deren Kauf man von diesem Effekt profitieren kann, so hat man bei einer Transaktionskosten freundlichen Halteperiode von zwölf Monaten mit der Wahl einer sechsmonatigen Formationsperiode die besten Karten. Hier ergibt sich für das Sieger-Dezil eine monatliche Rendite von 1,95%. Allerdings sind die Abweichungen gegenüber einer Formationsperiode von neun Monaten (1,93%) gering. Die beste Kombination ist ohne Berücksichtigung von Transaktionskosten eine Formationsperiode von 9 Monaten und eine anschließende halbjährige Halteperiode. Hier beträgt die durchschnittliche monatliche Rendite 2,13%.


Monatliche Rendite der Gewinner-Aktien bei unterschiedlichen Halteperioden in % (1980-95)

Formationsperiode
3 Monate
6 Monate
9 Monate
12 Monate
3 Monate
1,87
1,92
1,90
1,91
6 Monate
2,08
2,06
2,04
1,95
9 Monate
2,12
2,13
2,04
1,93
12 Monate
2,19
2,09
1,97
1,85

Rouvenhorst, S.270

Auch wenn die Unterschiede relativ gering sind, lassen sich aus den Daten der voranstehenden Tabelle einige wichtige Schlussfolgerungen ziehen. Danach ist eine Formationsperiode von drei Monaten offensichtlich zu kurz, um um ein Momentum relativ sicher diagnostizieren zu können. Gleichzeitig ist die Dauer eines Momentum begrenzt. Das zeigt sich sehr deutlich bei einer 12-monatigen Formationsperiode, da in diesem Fall die höchste Rendite in einer dreimonatigen Halteperiode eintritt, während die Performanz nach 12 Monaten bereits deutlich schwächer ist. Daraus kann man folgern, dass ein Momentum etwa 18 Monate andauert.

Die Wahl von Formations- und Haltephasen

Das zentrale Problem bei der Entwicklung einer Strategie, die diese Anomalie optimal nutzen will, muss daher die Wahl geeigneter Formations- und Halteperioden sein. Die Schwierigkeiten sind dabei sehr leicht zu identifizieren. Da die Zeit, in der eine relative Stärke besteht bzw. ein Momentum wirkt, begrenzt ist, muss diese Periode in die beiden Abschnitte so eingeteilt werden, dass eine best mögliche Renditechance realisiert wird. Konkret heißt dies: die Formationsperiode muss möglichst kurz sein, damit man nicht zu lange warten muss und daher die Überrenditen des Momentum-Effektes ungenutzt bleiben, weil man sich noch nicht darüber im Klaren ist, ob überhaupt ein Momentum vorliegt. Andererseits muss diese Testzeit natürlich so lang sein, dass sich ein "bloßer" Zufall von einem wirklichen Momentum unterscheiden lässt.

Dieser Zeitraum, auf den ein Momentumeffekt begrenzt ist, muss daher optimal auf eine ausreichend lange und gleichzeitig möglichst kurze Formationsperiode und eine möglichst lange Halteperiode verteilt werden, um die Transaktionskosten gering zu halten.

Dieses sehr deutliches Abebben des Momentums lässt sich in der folgenden Tabelle über die Entwicklung der Renditen von Sieger- und Verlierer-Aktien in verschiedenen Zeiträumen sehr eindrucksvoll ablesen. Danach macht es keinen Sinn, die Siegeaktien deutlich mehr als ein Jahr zu halten, da dann die Unterschiede in der Kursentwicklung nicht mehr bestehen, ja, sich sogar leicht umzukehren scheinen.



Zeitliche Wirkungen des Momentums bei einer halbjährigen Formationsperiode  (1977-93 )

Halteperiode
Verlierer (Dezil 1)
Sieger (Dezil 10)
6 Monate
0,61
1,49
1 Jahr
1,43
2,97
2 Jahre
2,05
1,99
3 Jahre
1,94
2,06

Chan/ Jegadeesh/ Lakonishok, S. 1688

Erklärungsansätze für Momentum-Effekte


Wie lassen sich nun diese Ergebnisse erklären, die grundlegenden Erwartungen der EMH widersprechen? DeLong/Schleifer/ Summers/ Waldmann (1990) betrachten ein Modell, in welchem es neben rationalen Spekulationen auch Anleger mit einer "positiven fedback"-Regel gibt. Damit in sind Investoren gemeint, die einem Kurstrend aus der Vergangenheit  folgen, also Aktien kaufen bzw. verkaufen, wenn die Kurse steigen (fallen) und dadurch die aktuelle Preisentwicklung verstärkt, was mit einer positiven Rückkopplung (feedback) verbunden ist. Solche Anleger werden daher als "Positive-Feedback" Anleger (PFA) bezeichnet.

Dieses Verhaotensmodell impliziert durch das Verhalten der PFA positive Korrelationen zwischen den Aktienrenditen in der kurzen Frist, jedoch negative Korrelationen der Aktienrenditen in der langen Frist, wenn sich die Preise wieder den Fundamentalwerten annähern. Das Modell erklärt auch Überreaktionen des Aktienmarktes auf neue Informationen infolge der "postiven Feedback"-Strategie.

Beim Auftreten von PFA kann eine rationale Spekulation destabilisierend wirken. Wenn rationale Spekulanten vorteilhafte Informationen erhalten und ihr Verhalten danach richten, wird sich eine anfängliche Preissteigerung in der nächsten Zeitperiode durch stimulierte Käufe der PFA verstärken. Rationale Spekulanten kaufen deshalb in Kenntnis dieser Reaktion, in der Anfangsperiode mehr Aktien, wodurch die Preise über ihre Fundamentalwerte steigen. Da PFAs ihre Käufe aufgrund von Preissteigerungen der vorangehenden Periode ausdehnen, können die Preise immer noch über ihren Fundamentalwerten liegen, selbst wenn rationale Spekulanten ihre Wertschriften verkaufen und dadurch die Preise stabilisieren.

Neben diesem Anlegerverhalten, das sich an Kurstrends orientiert, können Momentumeffekte auch auf den Nachrichtenfluss sowie die Reaktionen der Marktteilnehmer auf neue Nachrichten zurückgeführt werden, wobei die neuen Nachrichten erst allmählich eingepreist werden. Auch können fundamentale Trends positive bzw. negative Nachrichtenfolgen auslösen.



Aktuelle Situation


Auch wenn Momentum-Strategien über eine insgesamt überzeugende Performance von über einem Prozentpunkt Überrendite pro Monat verfügen, besitzen sie eine gravierende Schwäche. Da sie Markttrends zu verstärken scheinen, führen sie in Bärenmärkten zu ausgesprochen hohen Verlusten. So haben Daniel/Jagannathan/ Kim ermittelt, dass es in den USA während der Jahre 1929-2010, d.h. in insgesamt fast 1000 Monaten, 13 Monate gab, in denen eine Momentum-Strategie zu Kursverlusten von 20% und mehr geführt hat. So erlitten Momentum-Anleger 1929 in zwei Monaten einen Verlust von fast 92% und 2009 von gut 73% in drei Monaten (Baroso/ Santa-Clara). Um diese zwar sehr seltenen, aber möglichen Verluste zu vermeiden, sollten diese Strategie daher für derartige Situationen abgesichert erden, damit sie auch für weniger risikofreudige Investoren akzeptabel wird.

Die Momentum-Effekte traten, was auch für andere Anomalien zutrifft, nicht für alle Zeiträume in der Vergangenheit in gleicher Weise zu. Möglicherweise schwächen sie sich auch ab, wie sich aus der folgenden Tabelle ablesen lässt.

Monatliche Momentum-Effekte in zwei Zeiträumen 
(Überrenditen in Prozentpunkten)

Momentumdezil
1965-1998
1965-2009
Dezil 1 (Gewinner)
1,65
1,51
Dezil 2
1,39
1,28
Dezil 3
1,28
1,19
Dezil 4
1,19
1,10
Dezil 5
1,17
1,09
Dezil 6
1,13
1,01
Dezil 7
1,11
0,99
Dezil 8
1,05
0,91
Dezil 9
0,90
0,75
Dezil 10 (Verlierer)
0,42
0,37

Wilson, S. 5

Der Momentum-Effekt hatte also bisher keinen Ewigkeitswert, denn es gab deutliche Schwankungen, die auch in der Zukunft weiterhin auftreten können. Eine Momentum-Strategie kann eben genau so wenig eine zukünftigen Überrendite garantieren, wie es auch für jede andere Strategie zutrifft.

Gleichwohl gilt der Momentum-Effekt als eine der stärksten Herausforderungen für die These von den effizienten Aktienmärkten, auf denen Überrenditen durch höhere Risiken erkauft werden müssen und alte Kurse nichts über künftige Kurse aussagen.

Quellen:
August, RolandSchiereck, Dirk und Weber, MartinMomentumstrategien am deutschen Aktienmarkt: Neue empirische Evidenz zur Erklärung des Erfolgs, in: Kredit und Kapital, 2000, S. 199–234.
Barroso, Pedro und Santa-Clara, Pedro, Managing the Risk of Momentum, WP von April 2012.
Chan, Louis K. C., Jegadeesh, Narasimhan und Lakonishok, Josef, Momentum Strategies, in: Journal of Finance, 1996, S. 1681 – 1713.
Daniel, KentJagannathan, Ravi und Kim, Soohun, Tail Risk in Momentum Strategy Returns, WP vom 1.Juni 2012.
Daske, Stefan, Winner-Loser-Effekte am deutschen Aktienmarkt, Berlin 2002.
De Long, J. Bradford, Schleifer, Andrei, Summers, Lawrence H. und Waldmann, Robert J., Positive Feedback Investment Strategies and Destabilizing Rational Speculation, in: Journal of Finance, 1990, S. 379-395.
Jegadeesh, Narasimhan und Titman, Sheridan, Returns to Buying Winners and Selling Losers: Implications for Stock Market Efficiency, in: Journal of Finance, 1993, S.65–91.
Levy, Robert A., Relative strength as a criterion für investment selection, in: Journal of Finance, 1967, S. 595-610.
O’Shaughnessy, James, What Works on Wall Street, 1996.
Rouwenhorst, K. G., International Momentum Strategies, in: Journal of Finance, 1998, S. 267-84.
Schiereck, Dirkde Bondt, Werner und Weber, MartinContrarian and Momentum Strategies in Germany, in: Financial Analysts Journal, 1999, S. 104-116.
Wilson, M. Scott, Are Momentum Strategies Still Profitable Work For U.S. Equity, Working Paper, Oktober 2010.

Zurück zum Anfang

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen